Über mich – Auflösung 2

Über mich

Gefühlt bin ich erst seit gestern wieder Single nach einer neunjährigen Ehe. Ich weiß nicht, wie das geht – daten. Und eigentlich habe ich auch keinen Bock darauf. Doch per Zufall sind wir uns nun über den Weg gelaufen. Nach 23 Jahren.

Auf dieselbe Schule sind wir gegangen, wir fanden uns damals gut – Du Punk, ich Rock, doch zueinander gefunden haben wir nie. 23 Jahre haben wir uns nicht gesehen, und nun steigst Du aus dem Taxi vor Deiner Haustür und ich, wie gesagt – keine Lust auf den Datingtanz beschließe die Flucht nach vorn: 

„Und was ist jetzt? Ich hab keine Lust, auf einen Anruf zu hoffen oder selber Nachrichten zu schreiben, die vielleicht nicht beantwortet werden. Also – wie geht’s weiter, was meinst Du, ganz ehrlich?“ 

Du lachst, schaust mich an und sagst:

„Jetzt? Jetzt heiraten wir!“

Ich lache lauter und denke: „Ich heirate kein zweites Mal. Niemals.“

Fast drei Jahre später stehen wir vorm Standesamt, ich in einem feuerroten Kleid und schwarzen Nägeln, Du im dunklen Anzug mit Totenkopf-Krawatte. Schick sehen wir aus. Unsere Familie und unsere Freunde – alle sind da. Wir tauschen Ringe, in die eine Zeile aus einem Muff-Potter-Song graviert ist. Ein Song, den Du mir ganz am Anfang, im Frühjahr 2015, schicktest: „Das ist jetzt und das ist hier. Und das sind wir.“ 

Über mich – Auflösung 1

Biografisches Schreibratespiel

Hier die erste Auflösung meines kreativen Rateschreibspiels „Über mich“ vom 7. August 2023, die Nummer 5 ist wahr. Und das Ganze begab sich folgendermaßen:

Wieder ein Donnerstag, wieder auf dem Weg in den Kaiserkeller. Ich wohne in einem Stadtteil Hamburgs, der so charmant ist, wie diese dünnen Papierservietten in Eiscafés, die alles verteilen aber nichts aufsaugen. Mein Fiat Panda klappert unterhaltsam, das Autoradio funktioniert erst mit sanftem Fußtritt, es ist 21:30 Uhr, der Wecker klingelt auch die nächsten zwei Wochen um 6, doch ich bin jung und Nächte durchzumachen ist reine Trainingssache. 

Tagsüber bin ich in der Buchhaltungsabteilung der Holsten-Brauerei, die Stunden dazwischen verbringe ich auf der Tanzfläche unter der Erde oder bei Musikproben im Luftschutzbunker. Kurt Cobain ist seit über einem Jahr tot, doch es ist noch immer die Zeit des Grunges, des Alternativrocks, wir haben wilde, gefärbte Haare, karierte Hemden und dicke Boots an und ich bin auf der Suche nach coolen weiblichen Vorbildern und einem norddeutschen Eddie Vedder und versinke in „Reality Bites“.

Die besten Stunden, das sind die, wenn die schwere Tür des Bunkers nachgibt und wir die kühlen Räume betreten, in denen es im Erdgeschoss nach Urin und Muff riecht. Vier Stockwerke hoch, aufschließen – und drei Stunden das Beste der Welt machen: Musik mit Freunden. Schmerzende Arme an Wochenenden – wir schleppen Boxen und Instrumente, laden sie ins Auto, spielen in der Prinzenbar, auf dem Rathausmarkt, im Knust, Marxx … 

Das und der Kaiserkeller – zwei Orte, die meiner Melancholie und dieser immer wieder drängenden Frage „Wo gehöre ich hin?“ ein paar tröstende Antworten anbieten.

Dreißig Minuten später – ankommen auf dem Kiez, das Unmögliche schaffen: einen Parkplatz finden. Treppen runter in den Keller, Jacke beim DJ deponieren, checken, wer da ist, Selter holen, dann rauf auf die Tanzfläche und vier Stunden nur noch zum Trinken und kurz „Hallo“ sagen pausieren: Stone Temple Pilots, Garbage, Smashing Pumpkins, Pearl Jam, Soundgarden, ich bewege mich, ich schwitze, ich fühle jeden Ton, es ist, als polstere die Musik mich von innen gegen alles, was von außen kommen mag. 
Mit Tom, dem DJ, kurz schnacken, auch mal über Musik, auch dass ich Musik mache – ob wir ne CD haben? „Bring doch mal mit“! 

Ein paar Wochen später – wieder ein Donnerstag, alles wie immer, doch der DJ winkt mich ran: „Gefällt mir, spiele ich nachher mal was von, Nummer Sechs?“
Und dann die ersten Töne, das sind wir. „Lie to me“ – ein Song über Wunden und Wut, mein Herz schlägt schneller, es gehen mehr Leute auf die Tanzfläche, ich nicht. Hinter einem Pfeiler stehe ich – meine Stimme auf der Tanzfläche, ich scanne jedes Detail. Jeder Moment ist einmalig in seiner Zusammensetzung aus Tatsachen, Gefühlen, Projektion und Besetzung. Nichts wird sich je wiederholen. Ich schließe meine Augen und nehme ihn mir, diesen Moment, ich betaste ihn, ich präge ihn mir ein – und verwahre ihn an einem sicheren Ort.

Zwei Jahre später renne ich in meinen Doc Martens weg – vom Dasein als kaufmännische Auszubildende, hin zur Uni Hamburg. Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt, das Ding ist abgeschlossen, nicht glänzend, aber ich habe jetzt einen Beruf. 
Ich habe jetzt also einen Beruf, den ich nicht mag und der mir das Gefühl gibt, zu altern bevor ich alt werde und beschließe: das kann es nicht gewesen sein. Also lasse ich den Wunsch meines Vaters platzen, lehne eine begehrte Übernahme dankend ab und studiere Journalistik, Germanistik und systemische Musikwissenschaften. 

Für Journalistik brauche ich ein Praktikum. Radio ist genau mein Ding, Delta Radio zu dem Zeitpunkt vor allem, ich gehe mit Kollegen auf Konzerte, lerne Interviews zu führen, Beiträge zu verfassen, zu schneiden, zu moderieren, treffe bei einer Pressekonferenz George Clooney und Greg Graffin, der Sänger von Bad Religion, hält mir eines Tages lächelnd die Tür auf, als ich Feierabend mache, wieder so ein Moment. 

Das Schönste aber sind die Feierabende mit Kollegen, exklusive Konzerte, Nächte an Bartresen, gute Gespräche, diese ganzen Monate – eine Zeit, in der ich mir, anderen und dem Leben sehr nahe komme, Leichtigkeit und Freude in so Vielem finde. 

Und dann sitze ich im Auto, donnere mein Radio in die Halterung, schlage mit der Handfläche hinterher, bis der Kontakt sitzt. Mein Kollege moderiert eine Sendung für Newcomerbands ohne Plattenvertrag – „Und als nächstes hört Ihr eine Hamburger Rock-Band, Novocane …“ Ich fahre nicht los, ich drehe lauter und lehne mich an die Kopfstütze. 

Ich wünsche mir in dem Moment, das Leben könnte so weitergehen – indem ich Orte finde, an denen ich mich richtig fühle, Menschen, mit denen ich ich sein kann, mit Augenblicken, die für die Ewigkeit sind. Dann drehe ich den Zündschlüssel. Probe fängt in einer Stunde an.

Übung für die Gruppe – Kreatives, biografisches Schreiben

Aaaah, wie schön!! So viele neue Gesichter in den letzten Wochen im Soulwriters-Club – und ich habe festgestellt, dass es kein, aber auch gar kein richtiges „Über mich“ irgendwo gibt. Ihr wisst ja gar nicht, mit wem Ihr es hier zu tun habt! 😎👽🦄

Ich packe in den nächsten Wochen mal was in die Highlights auf Instagram, so einen astreinen Werdegang für alle, die es interessiert – heute hab ich mehr Lust auf ein „Über mich“ gekoppelt mit einem Ratespiel und einem Tipp zum kreativen, biografischen Schreiben in einer Gruppe – also – haste Bock? 
Dann rate mit: Nachfolgend findest Du 7 Informationen über mich und mein Leben. 6 stimmen, eine nicht. 
👉🏼👉🏼Was glaubst Du – welche Info über mich stimmt nicht? (Freunde, Familie, anderweitig Informierte – natürlich nicht mittippen) 
Dein Tipp – bitte JETZT ab in die Kommentare! 

Und wenn Du möchtest – mach mit!! Entweder auch direkt in die Kommentare schreiben – oder schreib einen eigenen Post mit ein paar Infos und einer Lüge über Dich – mit dem Hashtag #unglaublichaberwasbloß

Ich rate auf jeden Fall bei jeder/m mit!
✍🏼❤️😃

  1. Vor zwanzig Jahren tanze ich mit Karl Dall in einem kleinen Club auf der Reeperbahn Polonaise.
  2. Ich finde es grauenhaft, mit ungleichem Besteck zu essen. Wenn ich einen runden, schweren Messergriff und eine Gabel mit eckigem Griff und leichtem Gewicht in den Händen habe, versuche ich, Besteck zu tauschen.
  3. Mit 14 hatte ich mal eine Würgeschlange um meine Schultern – im Terrarium bei Rüdiger Nehberg zu Hause.
  4. Mein Hochzeitskleid im Dezember 2017 war knallrot. In unsere Ringe ist jeweils ein Auszug aus einem Muff-Potter-Song graviert.
  5. Ein Song von der ersten und einzigen CD, die ich mit meiner früheren Band Novocane aufgenommen habe, wurde sowohl im Radio (Delta Radio) als auch im Kaiserkeller (Club, Große Freiheit/Hamburg Reeperbahn) gespielt.
  6. Das großflächige Tattoo auf meinem Rücken hat 6 Stunden gedauert. Im Zentrum ist ein Kolibri, der Optimismus und Leichtigkeit symbolisiert – etwas, was ich immer in (und an) mir tragen möchte.
  7. Seit meinem 5. Lebensjahr habe ich von meinen Eltern keine Geburtstagskarte mehr an „Julia“ adressiert bekommen, stattdessen heiße ich familiär seit 43 Jahren „Emma“. Schon als Kind war ich ein großer Fan von smarten, starken Frauen – Emma Peel war mein Idol – und ich rannte auf kurzen Beinen herum und rief: „ICH bin Emma Peel!!“

Tipp zum kreativen, biografischen Schreiben in der Gruppe:

Jeder macht so eine Auflistung mit sechs (oder mehr/weniger) richtigen und einer falschen Info. Der/die Erste liest laut vor und die anderen geben ihren Tipp ab. Dann wird aufgelöst.
Die/der Nächste macht weiter.
Anschließend schreibt jede/r über einen der wahren Punkte einen kurzen biografischen Text über den Hintergrund dieser Info in der Ich-Form und im Präsenz.

Foto: @mayameiners.fotografie

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