Biografisches Schreiben – „Meine erste Platte“

Biografisches Schreiben

Es ist ein warmer Tag, ich spiele mit meinem gelben Ball in unserem Garten, der als einziger in der Reihe eine Kurve um das Haus macht, das letzte Haus im Gang. Weiß verputzte Mauern halten die Hitze fern, die Markise taucht das Wohnzimmer in Orange, der Kirschbaum trägt volle, dunkle Früchte, es riecht nach Essen. Sommerluft mit Bratensoße. Ich flitze um die Ecke und sehe einen großen Mann auf unser Tor zukommen, dunkle Stoffhose, helles Hemd mit kurzen Ärmeln, die schwarzsilbernen Haare leuchten in der Sonne. Billie. Mein Opa. Den ich keinen einzigen Tag „Opa“ genannt habe, immer nur Billie. Eigentlich heißt er William, und ich weiß, dass mein Opa nicht aus Deutschland, sondern aus Holland kommt, und auch die Namen meiner anderen Verwandten mag ich sehr: Bep, Koos, Esther.
Sand knirscht unter Billies Lederschuhen – ich liebe das Geräusch. Kurz halte ich die Luft an, um besser hören zu können.


Mit einem Lächeln steht er dort auf der anderen Seite der Holzpforte, die aus zwei Querbalken gebaut ist, schwarzes, schweres Holz. Eine Hand hinter seinem Rücken, mit der anderen öffnet er die Pforte, als wäre sie leicht wie Papier. Meinen gelben Plastikball lasse ich fallen und laufe mit blanken Füßen, die die Hubbel der Waschbetonplatten bei jedem Schritt spüren, auf ihn zu. Kurz vor ihm bleibe ich stehen und lächle ihn an, ich kneife meine Augen etwas zu, die Sonne blendet: „Billiiiie“, mit einem sehr lang gezogenen „iiiiee“ – „was hast Du da hinter Deinem Rücken?“
Er ist kein Mann der großen Worte oder Gesten, seine braunen Augen lächeln zurück, langsam zieht er den Arm nach vorn und hält mir etwas hin: Ein flaches Viereck, eine Scheibe, mit Menschen darauf. Ich kann noch nicht lesen, aber ich weiß, was das ist: meine erste Schallplatte!

Ich umarme Billie, mein Kopf liegt an seinem Bauch, meine Arme schlingen sich um ihn, sie kommen nicht weit, zu kurz. Weich und warm fühlt er sich an. Ich drücke einmal alles, was ich von ihm erfassen kann, so fest, bis es in meinen Muskeln zieht, lache laut auf und renne mit meinem Schatz und einem Herzen, welches sich anfühlt, als würde es ständig gegen meinen Brustkorb hüpfen, ins Haus: „Mamaaaa!“

Den Plattenspieler kann ich noch nicht unfallfrei bedienen, ich bin Vier und ungeduldig. Aber meine Eltern sind auch beim sechsten Mal Nadel auflegen gelassen und hören meinem begeisterten Singsang zu.  Und dann kommt eine Zeile, die man kaum versteht, weil der Sänger sie ganz hoch kreischt, und ich? Ich finde alles daran schön.
Lauthals singe ich: „Ladyladyladylady ….“, wippe im Takt und schüttele meine hellblonden Locken ein bisschen hin und her.


Nie hätte ich mir damals vorstellen können, dass ich fast 43 Jahre später über sie schreibe, dass viele Menschen aus der Zeit nicht mehr bei uns sind, aber dass sie immer noch hier ist, diese Platte. Und dass wir in den Jahren dazwischen Plattenspieler aus unseren Wohnzimmern verbannen – und sie uns wieder zurückholen und hüten wie Schätze. So wie unseren Konzertschrank, der noch deutlich älter ist als meine erste Platte.

ORS – eine schräg-schlimme Mischung aus Dschingis Khan und Bee Gees, die heute leichtes Ohrensausen verursacht. Orlando Riva Sound – man beachte bitte den extraordinären Goldanzug des Herren in der Mitte – und die Siegerpose, indem er der Sängerin seinen Fuß auf das Knie stellt. Tsss.

Der Text im Refrain geht ungefähr so:

Sie:
„Er ist so nett, doch vielleicht zu jung für mich. Aber ich mag, ich mag die Art so wie er spricht. Ich glaub‘, wir würden – uns gut versteeeeehn“
Er:
„Lady Lady Lady Lady Lady, Lady Lady – lass mich Deine Träume sehen“
Sie:
„Uala, lala, lala lalahaaa“
Er:
„Lady Lady Lady Lady, Lady Lady – lass Dich geh’n“
Sie:
„Uala, lala, lala lalaaaa“

Natürlich habe ich das damals inhaltlich nicht erfasst – doch auch mit dem Wissen heute gestehe ich: Ich höre diesen Song noch ab und an. Denn da ist eine Verbindung aus Musik und einem Gefühl aus diesem Sommer, welche die Erinnerung an diesen Moment am Gartenzaun und die Stunden vor dem Plattenspieler einen Moment lang lebendig macht. „Lady Lady Lady Lady, Lady …“.

Wenn auch Du Erinnerungen aus Deinem Leben aufschreiben möchtest, aber nicht weißt, wie Du starten und Deinen Text so gestalten kannst, dass er lebendig wird, dann melde Dich doch hier für den Biografie-Workshop an.

Alles, was ich nicht sagen kann … kann ich schreiben!

Manchmal tut es gut, Dampf abzulassen, wenn die Gefühle drücken, mir immer wieder mit spitzem Finger in den Bauch pieksen – denn mal ehrlich: wie oft sind wir einfach nur diplomatisch? Na klar, immer rauszuhauen ist nicht unbedingt ratsam, denn auch wenn Authentizität ganz oben steht, wäre man wohl irgendwann ziemlich allein auf der Welt, würde man alles genau so aussprechen, wie man es denkt.

Aber da gibt es die Worte, die in uns schlummern – fein säuberlich gefaltet oder nachlässig reingeknallt in Schubladen unseres Innenlebens.
Worte, die wir gern mal rauslassen würden – ohne Filter, Regulation, ohne „Das sagt man aber nicht“, ohne Konsequenzen.

Also leg los! Schreib einen Brief, ein Pamphlet, die Rede zum 70sten, die Du nie halten wirst – zig Lieblingsschimpfwörter in einem Absatz, ohne darüber nachzudenken, ob das jetzt konstruktive Kritik ist oder angemessen formuliert! 

Warum das Ganze? Schreiben stärkt auch durch Entlastung. Raus-schreiben, ent-schreiben, los-schreiben.
Das macht nicht nur leichter, das kann sogar Spaß machen – mal richtig die verbale Sau rauszulassen. Trau Dich!

👊
Chef, Lehrer, Ex-Partner*in, Eltern … – wem würdest Du gern mal so richtig die Meinung verpulen?
🖋

„Ganz und gar man selbst zu sein, kann schon einigen Mut erfordern!“

Soulwriters-Club

Na dann – her mit dem Mut! 
Mit einer tollen Schreibübung, die Dich darin bestärken soll, so zu sein, wie Du bist – mit all Deinen Facetten, Ecken und Schrägen, Kanten und Wunderbarheiten: Zeig Dich! Pfeiff auf Trends, auf „Das kannst Du doch nicht machen“, auf „Was sollen die Leute denken“, schüttle die Konventionen ab.
Fang schreibend damit an. 
Denn auf Papier kannst Du alles sein!

❤️ Hab mindestens 15 Minuten Zeit
🖌 Schnapp Dir einen Block und einen Stift
❤️ Und da Stress ein Kreativitätskiller ist, mach doch vorher noch Folgendes:
🖌 Atme tief durch die Nase mindestens 4 Sekunden in den Bauch ein, kurz halten und den Druck wahrnehmen, dann durch den Mund langsam kontrolliert ausatmen. Wiederhole das 3 Mal. 

❤️ Und nun schließe die Augen und stelle Dir folgende Frage:

„Wenn ich allen Mut und alles Selbstvertrauen hätte – dann wäre ich …“

🖌 Öffne Deine Augen – und schreib drauflos!

Entschreibe Dich!

„Ja, Authentizität ist heute das A und O. Die Superkraft. Also: Sei ganz authentisch, sei Du selbst. Aber bitte nicht zu sehr. Nur so, dass es für die anderen angenehm bleibt. Pflegeleicht. Bitte nur gute Gefühle. Sei nicht so laut, sei nicht so empfindlich, und Himmel, Arsch und Zwirn – sei doch bitte etwas diplomatisch.“ 

Das alles hast Du so verinnerlicht, dass Du Dich selbst gar nicht mehr so richtig greifen kannst? Dass Du Dich für Deine anstrengende, fordernde Art schon im Voraus entschuldigst? Und wenn jemand auf Dich reagiert, suchst Du den Fehler erstmal bei Dir, Deine Glaubenssätze ballern Dir ständig ins Broca-Areal Deines Gehirns: „Ich bin ja auch etwas kompliziert. Ich war schon immer eher schwierig.“  Mein Vorschlag: Entschreibe Dich. Leg Dich frei, schieb den ganzen Mist mit einem schwungvollen Tintenstrich zur Seite und komm zu Dir selbst, fühl hin, nimm Kontakt zu dem Menschen auf, der Du wirklich bist. Und zeig Dich mit allem, was dazugehört!

Foto: Lisa.Fotios (Instagram-Account), Foto von Pixels.

Die Sache mit der Poesie und den Melonen

Soulwriters Club

Gedichte. Hatten für mich als Teenager den faden Beigeschmack von Milch aus wabbeligen Tüten, Schulküchen-Graupen, Hagebuttentee in Plastikbechern und dem Herumknabbern auf Blockflötenmundstücken, kurz: den Geschmack der Grundschule.
Doch mit ein bisschen mehr Abstand zu dieser Zeit der rot-blau geringelten Schlupfmützen hat sich bei mir eine echte Liebe zu Gedichten und zur Poesie entwickelt und ich meine: In vielen Bereichen des Lebens ist Poesie zu finden, nicht nur im Theater oder zwischen zwei Buchdeckeln. 
Kochrezepte können etwas Poetisches haben, Aufkleber an Ampelpfeilern, Geburtstagskarten, Tagebucheinträge – und Songtexte. Einer der für mich größten … nä! DER größte Poet der deutschsprachigen Musikszene ist für mich seit 1994 Jan Plewka, der Sänger von Selig. Es lohnt sich sehr, seinen Lyrics aufmerksam zuzuhören. Die saugeile Musik dazu ist natürlich auch nicht verkehrt. 😎

⚡️⚡️Und heute aus der Kategorie „Büschn plietscher“ ⚡️⚡️(Hamburgisch für „Bisschen schlauer“): Der Unterschied zwischen Gedicht und Poesie? Poesie ist eine literarische Form. Ein Gedicht ist ein schriftliches Werk, ein literarisches Erzeugnis. Also: Poesie und Gedicht ist wie Früchte und Melone.
„Poesie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet Erschaffung/Dichtung. Man teilt sie in drei Gattungen auf: Dramatik (Theatestücke), Lyrik (Lied, Sonett, Elfchen…) und Epik (Novelle, Sage, Romane, Erzählungen …)

Schreibsachen, die anfassen und berühren

Richtig und falsch gibt es nicht, zumindest nicht im Bereich der Gefühle. Und Schreiben ist in erster Linie genau das: Gefühl. Beziehungsweise einem Gefühl Worte anzuziehen und dadurch für andere hörbar zu machen. Vorstellungskraft, Kontakt zu sich, loslassen, einlassen, weglassen und zulassen – boah, alles, jawoll – alles darf sein. Und sich mal so richtig auslassen. Also Spaß soll es machen, dieses Schreiben von innen heraus – es kann auch mal pieken, aber das kannste dann ja aufschreiben. Dann geht es auch damit. Du möchtest loslegen? Und das gern in Gesellschaft, mit anderen, die ähnlich ticken und weniger tiktoken? Obwohl – Du ahnst es – selbst darüber kann man schreiben. Auch wenn man es noch nie gemacht hat, denn:

Man muss nicht in der Bratpfanne gelegen haben, um über ein Schnitzel zu schreiben.

Maxim Gorki