Gedankenkiosk

Gedankenkiosk - Kolumne

Keine Zeit zum Lesen? Hier der Gedankenkiosk zum Hören:

Gedankenkiosk – der Blogcast!

Kein Vizefreitag aber Fülle im Kopf und im Herzen. Tage wie die schönsten Töne und die buntesten Farben, wie das Harken von Sand in kleiner Schale, wie Katzenfell und weiche Hundeohren. Menschen auf Bühnen, singend und sprechend, und immer wieder dieser eine Gedanke: Was wäre das Leben ohne Kunst und Kultur? Fad. Auf die letzten Jahre zurückgeschaut und wieder einmal flatterte der Begriff „Systemrelevant“ im Gedankenkiosk vorbei. Künstler, die selber zusehen mussten, wie sie klarkommen – und falls mit Hilfen unterstützt,  diese finanzielle Unterstützung bis heute in Raten wieder abstottern. 

Leben wir wirklich noch immer in einer Gesellschaft, in der Malen, Singen und Co als „Nice to have“ in die Kopftätschelschublade sortiert wird? Mir ist der Unterschied einer medizinischen Behandlung und eine Konzertes natürlich bewusst, aber für meinen Geschmack denken wir viel zu einseitig, in viel zu starren Rastern. Was nicht wissenschaftlich bewiesen ist, hat keine Gültigkeit. What the F..k? Sollten wir uns statt dieser Arroganz nicht lieber an Sokrates halten und eingestehen „Ich weiß, dass ich nichts weiß“? Ich bin mir sicher: Bevor Pythagoras und Platon der Erde die Kugelform verpassten, meinten die Menschen auch zu 100%ger Sicherheit, dass die Erde eine Scheibe ist und Punkt. „Öhm, naja – hör mal –  ist doch nix anderes wissenschaftlich bewiesen!“ 

Aber ich schweife ab – worum es mir geht: Es gibt mehr Dinge, die für die Seele und die körperliche Gesundheit eines Menschen ebenso wichtig sind, wie Spurenelemente und Ausdauersport. 

Unsere Gefühle sind in meinen Augen ein zentraler Punkt für unser Wohl- und Missempfinden – und keinen Kontakt zu ihnen zu haben, kann krank machen. Und beraubt uns einer wichtigen Eigenschaft: Mitgefühl. Und nun kommt’s: Kunst in jeglicher Form bringt uns mit uns in Kontakt! Sie erzeugt Gefühle, holt sie hervor, konfrontiert uns mit ihnen. 

Die letzten zwei Wochenenden waren voll mit Aktivitäten – und voller Gefühle, und ich fühle mich heute energiegeladen und in Kontakt mit mir, obwohl ich mitten im Umzug stecke. Da war Freude über den Mut und die Kreativität von Künstlern am Freitag bei einem Singer Slam, Faszination und Demut am Samstag im Planetarium, Sonntag Spannung und Spaß im Escape-Room. Am nächsten Freitag wieder ein Gefühl von „Erfüllt sein“ beim Konzert von Jan Plewka und Marco Schmedtje im Nochtspeicher, am Samstag Zuneigung, Neugierde und Freude bei guten Freunden und guten Gesprächen, und gestern dann Trauer und Begeisterung gleichzeitig im Theater. 

Wenn ich das so lese müsste ich fix und fertig sein – eine Gefühlsparty, eine Emotionenflashmob. Aber – es tut gut. Und ich bin dankbar, denn Kunst und Kultur machen das mit mir. Heute denke ich einmal wieder über die Endlichkeit des Lebens nach, über die wunderbare Gefühlsduselei, die ich mir nicht nur erlaube, sondern die ein Teil von mir ist, meine Tränen im Theater, da ich „Dienstags bei Morrie“ vor 27 Jahren gelesen habe, aber nicht wieder, seit ich einen geliebten Menschen vor zehn Jahren beim Sterben erlebt habe. Das Stück hat mich noch einmal anders berührt, Trauer hervorgeholt und andere Fragen gestellt. Und auch wenn ich mich nicht gern in bereits gelebtem Schmerz aufhalte, klingt es positiv nach. Und ich bleibe dabei: Gefühle sind unser höchstes Gut. Lasst sie zu, pflegt sie, macht ihnen Platz, äußert sie, teilt sie, nehmt sie ernst, nehmt sich wahr, beschäftigt Euch mit ihnen und setzt Euch mit ihnen auseinander. Sie machen uns menschlich. Und das kann nur Gutes hervorbringen.